Kein Jazz mehr an hessischen Musikhochschulen

Jazzhauptstadt Frankfurt? Aus der Musikhochschule Frankfurt erreichen uns dazu sehr schlechte Nachrichten:

In der Musik-Szene ist schon lange bekannt, wie es um den Jazz-Nachwuchs in Frankfurt bestellt ist. Doch nicht genug, dass es an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt keinen Studiengang Jazz und Popularmusik mehr gibt. Jetzt soll auch noch der bisher „tolerierte“ Weiterbildungsstudiengang sein jähes Ende finden. In einem offiziellen Brief teilte die Kanzlerin, Angelika Gartner, den Studentinnen und Studenten mit, „dass die Hochschulleitung entschieden hat, den Studiengang Jazz und Popularmusik einzustellen.“ Dies sei sehr bedauerlich, die Entscheidung jedoch unvermeidbar.

Natürlich gibt es hierfür eine einleuchtende Begründung: Seit 2009 unterliegen die Hochschulen dem so genannten „Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation“ der Europäischen Kommission. Damit falle, so Gartner, die staatliche Finanzierung von wirtschaftlicher Tätigkeit unter das Beihilfeverbot, während die staatliche Förderung von nichtwirtschaftlicher Tätigkeit weiter zulässig bliebe. Infolgedessen müssten die Hochschulen beide Tätigkeitsformen in Bezug auf Kosten und Finanzierung eindeutig voneinander trennen. Das Weiterbildungsangebot sei demnach eine „wirtschaftliche“ Tätigkeit, die nicht subventioniert werden dürfe. Und leider, leider habe auch noch die Prüfung der Finanzsituation des Studiengangs ergeben, „dass dieser Studiengang in nicht unerheblichem Maß durch öffentliche Mittel subventioniert wird und eine Änderung dieser Lage ohne massive Steigerung der Studiengebühren nicht möglich ist.“

Auf Deutsch gesagt, dem Studiengang steht das unmittelbare Aus bevor. Immerhin: Die Studentinnen und Studenten des Abschluss-Semesters dürfen ihre Ausbildung auf dem herkömmlichen Wege beenden. Für die anderen, die gerade erst im letzten Jahr begonnen haben, heißt es in die Röhre gucken. Eine Fortsetzung des Studiengangs bzw. des Unterrichts über den 30.06.2011 hinaus sei von Seiten der Hochschule nicht möglich. Ganz zu schweigen von den Dozentinnen und Dozenten, deren Lehrtage nun gezählt sind.

Der Weiterbildungsstudiengang Jazz- und Popularmusik an der  Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt war auf Gesuch einiger Lehrenden der Jazz-Abteilung hin eingerichtet worden, nachdem die Hochschule den gleichnamigen Aufbaustudiengang sang- und klanglos abgeschafft hatte. Finanziert wurde dieser im Wesentlichen ohnehin durch die Beiträge der Studentinnen und Studenten. Der Weiterbildungsstudiengang war bislang die letzte Möglichkeit – wenngleich nur  unter eingeschränkten Bedingungen – an einer hessischen Hochschule Jazz und Popularmusik zu studieren. Mit der Streichung des Weiterbildungsstudienganges wird Hessen künftig nicht nur auf den Studiengang , sondern auch auf einige Jazz-Talente mehr verzichten müssen.

Rebecca Berg, jazz-or-no

Update: Auch Wolfgang Sandner berichtet im FAZ-Feuilleton vom 29.1.11 unter der Überschift „Armselig“ über die Schließung des Fachbreichs Jazz.

8 Antworten auf „Kein Jazz mehr an hessischen Musikhochschulen“

  1. Da wird der Fachbereich Jazz also erst auf ein *Weiter*bildungsangebot reduziert, dass dann aufgrund von EU-Recht nicht weiter subventioniert werden *darf*. Wenn das mal nicht geschickt eingefädelt ist … am der Offensichtlichkeit des Unwillen der Hochschulleitung, den Jazz in den Lehrbetrieb nachhaltig zu integrieren, ändert dieser juristische Winkelzug aber nichts.

  2. Diese Entwicklung ist skandalös. Sie ist Ergebnis der kulturpolitisch einseitigen und die Popularmusik ablehnenden Haltung sowohl der Hessischen Landesregierung als auch der HfMDK. Denn was hielte die Hochschule sonst davon ab, einen „normalen“ Studiengang einzurichten und entsprechend zu subventionieren?

    Was passiert mit den Dozenten? Werden sie weiterbeschäftigt? Unterrichtet beispielsweise Herr Sagmeister zukünftig gar klassische Gitarre?

    Um einer Lösung näher zu kommen, lohnt vielleicht auch ein Blick an andere Hochschulstandorte: an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar gibt es zwar ein „Institut für Jazz“, aber Jazz-Gesang und Jazz-Gitarre werden am „Institut für Neue Musik“, Jazz-Klavier am „Institut für Tasteninstrumte“ gelehrt. Gleichgültig, welche Ursachen es für diese Entwicklung in Weimar gibt – sie zeigt, dass sich auch kreative Lösungen finden lassen, wenn man nur will.

    Jazz ist Großstadtmusik und gehört einfach nach Frankfurt, und nicht nur der Vergangenheit wegen. Junge Nachwuchsmusiker vermögen auch das musikalisch-kulturelle Leben einer Stadt zu prägen und können einer zukunftsgewandten Metropole nur gut zu Gesicht stehen. Es ist mir Rätsel und Ärgernis, wie Stadt (und Land) diese Chancen schon seit Jahren ungenutzt lassen können.

  3. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Frankfurt als (mittlerweile muß man wohl das Wort „vermeintliche“ hinzufügen) Jazzhochburg Deutschlands auch nur andenken kann, den Jazz Studiengang zu streichen. Natürlich ist es am Ende des Tages eine Frage des Geldes, aber ich behaupte, daß im Rahmen des Gesamthaushaltes (der Hochschule, der Stadt, des Landes, des Bundes) genügend Manövriermasse vorhanden sein muß, um die Ausgaben auf die wirklich wichtigen Themen zu lenken. Frankfurt hat diesbezüglich einen Ruf zu verlieren – und hat eine Verpflichtung, die Tradition der Familie Mangelsdorff, Spendel, Sagmeister und und und fortzuführen. Ich behaupte ter, ohne Jazz Studiengang verliert Frankfurt noch mehr an Jazz-Gesicht, und das können wir uns nicht erlauben!

  4. Tatsache ist, daß Frankfurt in den 50er und 60er Jahren die Jazz-Hauptstadt war. Und heute? Es ist ein Armutszeugnis, das sich die Stadt Frankfurt austellt!
    Hier gibt es anscheinend nicht mehr genug Lobbyisten
    für diese Kultur.

    Aber wenigstens gibt es noch was witziges zu berichten aus dem Rödelheim-Blog : roedelheim.blogspot.com/…/ordentlich-angejazzt-rodelheim-tonight.html

    Der Stadtteil hat gerade einen eigenen Song mit Big Band – Unterstützung bekommen.

    1. Dem Staat, also in diesem Fall der hessischen Landesregierung aus CDU/FDP, ist das glaube ich ziemlich schnuppe. Maßgeblich ist hier m.E. das Desinteresse der Leitung der HfMudK. Was wiederum den Weg frei macht für das Konservatorium der Stadt Ffm – hier reift gerade eine Jazzabteilung heran, wo man (wie’s ausschaut) auch bald in Sachen Jazz zu akademischen Weihen (Bachelor) kommen kann.

  5. Das ist eine so dicke Unverschämtheit was sich die Leitung dieser Hochschule erlaubt. Meiner Meinung nach sollten diese Leute Ihre Titel alle abgenommen bekommen. Eine Beleidigung für Frankfurt, dessen Kultur, dem Jazzkeller und der Familie Mangelsdorff gegenüber!!

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